Türkei Teil 1

Bericht Türkei Teil 1 von Grenze Deleköy bis Istanbul
Vom 02.Juni.2014 - 11.Juni.2014; 10 Tage
252 km


Vom 02.Juni 2014 – 03.Juni 2014 Tag 65 – Tag 66
Etappe Malko Tarnovo - Vize 98 km; Gesamtkilometer: 3496 km

Autor: Andrea Büchsenschütz

In Malko Tarnovo ist ein Stützpunkt der Grenztruppen und so begegnen uns ständig Patrouillenfahrzeug, wir werden nicht kontrolliert, erst an der Grenze bei der Ausreise. Die Einreise in die Türkei war da schon aufwendiger! Erster Grenzposten, Reisepässe zücken, dann ins Gebäude der Grenzpolizei, Reisepässe zücken und Einreisestempel abholen und aller guten Dinge sind drei, also dritter Grenzposten, nochmal Reisepässe zücken und dann sind wir endlich in der Türkei! Plötzlich eine große breite Straße mit Überholspur für bergfahrende Fahrzeuge und Randstreifen, nur weit und breit kein Auto. Ab und zu ein PKW, manchmal ein Wohnmobil, wir hatten die riesen Straße fast für uns allein. Irgendwann verdunkelte sich der Himmel, Regen, Gewitter, das volle Programm und wir finden Unterschlupf in einer Unterführung. Eine große Lache ist schon entstanden und das Wasser stieg weiter. Zwei Frauen, die auf dem Feld gearbeitet hatten, stellten sich ebenfalls unter. Eine der Beiden redete auf mich ein, keine Ahnung was sie wollte, nach kurzer Zeit fing sie an mit ihrer Hacke eine Art Damm um sich und ihre Begleiterin zu bauen. Gute Entscheidung, denn das Wasser in der Unterführung schwoll zu einem kleinen See an, Micha und ich standen am höchsten Punkt gerade so im Trockenen, als es endlich nach 90 Minuten aufhörte. Wir fuhren durch den Ort zurück zur Hauptstraße (E 87 od.555), die scheinbar relativ neu gebaut ist, super Asphalt nur die Steigungen sind teilweise so stark, dass man sie kaum radeln kann, selbst die wenigen LKW haben zu kämpfen. Zusätzlich setzt erneuter Starkregen ein, es hagelt sogar und da überholt uns ein Quad mit der Aufschrift Quad-Asien-Tour aus Fürstenwalde, also sind wir nicht die einzigen Verrückten hier. Kirklareli ist die erste größere Stadt nach der Grenze, auf dem Ortsschild steht 66000 Einwohner. Im Zentrum ist ein Geldautomat schnell gefunden, Micha wird in ein Gespräch verwickelt, der Türke arbeitet in Hamburg und besucht gerade seine Frau, die erste Einladung zum Tee trinken schlagen wir aus, wir wollen erst in trockene Klamotten und so nehmen wir ein Hotel um die Ecke. Kleiner Stadtrundgang, es gibt eine Fußgängerzone ohne die üblichen Klamottenketten wie bisher und einen Park mit vielen „Biergärten“, beim Bäcker noch Brot besorgen und Döner in einer der vielen Läden essen.
Nach einem guten Frühstücksbuffet raus aus der Stadt, Wasser kaufen nicht vergessen, denn Leitungswasser trinken macht Durchfall! Vorbei an einer Kaserne, viel Militär ist auf den Straßen präsent und in jeder größeren Stadt gibt es Kasernen. Wir sind auf der 20 unterwegs, die Arme sind schwer vom vielen Winken, ich glaube ich kaufe mir eine grüßende Hand! Oft genug sind die Steigungen kaum zu bewältigen, ich kann nicht mal zurück winken, denn ich habe alle Hände voll zu tun irgendwie die Hügel rauf zu kommen. Die LKW haben es auch nicht leichter bei den Steigungen, aber die Fahrer können wenigstens noch winken und fahren mit Abstand an uns vorbei, bis jetzt sind wir noch nicht einmal in Bedrängnis geraten. Alle motorisierten Fahrzeuge hielten großen Abstand und nahmen Rücksicht! Eigentlich soll es laut Berichten Anderer gefährlich zugehen auf türkischen Straßen, bin gespannt ob wir das noch erleben.
Wir sehen eine vorwiegend landwirtschaftlich genutzte Landschaft, ab und zu Schaf- oder Ziegenherden und immer wieder LKW mit der Aufschrift Beton oder Zement, die von den vielen Zementfabriken kommen. Endlich mal bergab radeln und dann Jubel, denn auf einem Feld sitzen bestimmt 30 Frauen und bündeln den geernteten Knoblauch, ein aromatischer Duft liegt in der Luft und ich bekomme direkt Hunger. Der Hunger muss noch warten bis wir in Vize sind, heute gibt es Köfte im Vitamin Fast Food. Es wird auch gleich ein Foto von uns geschossen und auf die Facebook-Seite vom Laden hochgeladen. In der Stadt sind wenig Frauen unterwegs, das war gestern noch anders, ich komme mir ein bisschen komisch vor. Mich spricht auch keiner an, nur Micha wird von anderen Männern angesprochen, meist auf deutsch und er wird ausgefragt woher wir sind und wohin es gehen soll, natürlich kennt jeder den besten Weg und schaut neugierig in Michas Karte. So beschränke ich mich auf das Zuhören und Abwarten, mal schauen wie sich das weiter entwickelt.


Vom 03.Juni 2014 – 07.Juni 2014 Tag 67 – Tag 71
Etappe Vize - Istanbul 154 km; Gesamtkilometer: 3650 km

Autor: Andrea Büchsenschütz

Motiviert sollte es eigentlich weiter gehen, aber nach 20 km haben wir aufgegeben, der Regen war so stark, dass wir trotz Regenkleidung ziemlich durchnässt waren. Auch am nächsten Tag regnete es ununterbrochen weiter, auf Straßen und Gehwegen bildeten sich Bäche und kleine Seen und so verbrachten wir einen weiteren Tag im Hotel.
Neuer Tag neues Glück, Regen vorbei, dafür ist Micha´s Hinterrad platt. Der Mantel ist sowieso durchgescheuert, da hilft nur alles austauschen. Eigentlich ist Micha darin geübt, doch an diesem Morgen wollte nichts so richtig klappen, ein Schlauch lässt sich nicht aufpumpen, nochmal alles auseinander nehmen bis es irgendwann funktioniert. In der Zwischenzeit eine kleine Unterhaltung mit einem holländischen Paar, die zu Fuß nach Istanbul gehen! Die Beiden sind auch wegen dem unaufhörlichen Regen in unserem Hotel gestrandet. Für alle Wanderfreunde gibt es hier den Sultanstrail, siehe www.sultanstrail.com! Heute ist Tag der Pannen, denn Micha´s Hinterrad verliert wieder Luft. Zum Glück hat es gerade aufgehört zu regnen und so ist die Panne schnell behoben, ein kleines Stück Draht hat Mantel und Schlauch durchbohrt. Der Verkehr auf der mehrspurigen Straße nimmt zu, bergauf ist es kein Vergnügen zwischen den LKW und Kleinbussen und wir sind froh das Marmara Meer zu erreichen. Wir gönnen uns eine Pause und verspeisen einen Kuchen bevor wir uns nach 90 km in Büyükcekmece ein Hotel suchen. Zufall, denn das Hotel liegt direkt an der Promenade, wir schlendern am Meer entlang, genießen den Sonnenuntergang, sehen über die Bucht in die unzähligen Lichter der großen Stadt und lassen uns in einer Bar nieder, um bei Live Musik ein Efes zu trinken. Ich freue mich wieder Frauen auf den Straßen und Plätzen zu sehen und nicht nur Männer, die vor Teestuben sitzen!
Noch rund 40 km bis Istanbul, die anstrengender werden sollten als vermutet, denn zunächst mussten wir aus Büyükcekmece über eine ca. 2 km lange Steigung mit mind. 14% , Micha ist heldenhaft hoch gefahren und ich hab geschwächelt. Aber beim Schieben konnte ich den Ausblick auf die hinter mir liegende Stadt länger genießen! Wie fuhren von einer große Vorstadt übergangslos in die Nächste, man meinte schon in Istanbul zu sein, die D 100 glich einer mehrspurigen Autobahn. Auf jeder Seite gab es 3 Fahrspuren und abgeteilt durch Leitplanken nochmal zwei Spuren an der die Auf- und Abfahrten der Vorstädte lagen. Es ist Samstag Vormittag und der Verkehr nimmt stetig zu, teilweise staut es sich, Ambulanzfahrzeuge versuchen sich vorwärts zu kämpfen, der Lärm ist unbeschreiblich und wir mitten drin. Wenn man erst mal verstanden hat, wie die ungeschriebenen Regeln hier sind und das die Hupe den Blinker ersetzt, kommt man auch als Radler gut zurecht. Irgendwann sind wir genauso zügig um Kleinbusse und Autos herumgekurvt wie die Einheimischen! In Esenyurt sind wir von der D 100 abgefahren und über Nebenstraße um den Atatürk Flughafen, um uns über weitere Istanbuler Stadtteile Richtung Altstadt vorzuarbeiten. An der Küste entdeckten wir eine Promenade mit einem ziemlich holperigen Radweg und blickten das erste Mal auf die Altstadt. Wir waren überwältigt und sprachlos, nach über 3600 km mit dem Rad von Köln nach Istanbul stehen wir hier, sehen große Überseeschiffe, das Goldene Horn von Istanbul mit der Altstadt, wir sind tatsächlich da. Unser Hotel am Sultanahmet ist schnell gefunden und so haben wir noch Zeit für einen ersten Rundgang. Vom Hotel sehen wir schon die Minarette der Blauen Moschee, wir laufen hoch auf den Sultanahmet Platz und sind plötzlich mitten im Trubel. Überall Menschen aller Nationalitäten, die Blaue Moschee, die Hagia Sophia und der große Platz mit ägyptischen Obelisk, dazwischen Reisebusse, Stadtrundfahrtbusse, Händler mit Obst, Säften, Nüssen, Maiskolben, Souvenirs und anderen Leckereien, natürlich jede Menge Restaurants und Geschäfte. Und als wäre das nicht schon genug für Augen und Ohren, findet auch noch ein Fest der Kulturen statt, natürlich mit Bühnenprogramm und lauter Musik. Irgendwann erschallt von den Minaretten der Ruf des Muezzin zum Gebet und die Musik verstummt für diesen kurzen Moment. Wir fallen erschöpft in unser Bett, nur das nächtliche Rufen des Muezzin zum Gebet unterbricht den Schlaf für einen kurzen Augenblick.


Vom 08.Juni 2014 – 11.Juni 2014 Tag 72 – Tag 75
Istanbul

Autor: Andrea Büchsenschütz

Mit Stadtplan bewaffnet stürzten wir uns in die Menschenmenge, um das große Touristenprogramm zu bewältigen. Noch mit der festen Überzeugung, dass Micha eine Hepatitis-Auffrischung braucht liefen wir quer durch die Altstadt zum Medical Park Hospital und besichtigten auf dem Weg die Sehzade Moschee und das Bocdogan Aquädukt. Durch die Bögen des Aquädukt verläuft der Atatürk Boulevard und die darunterliegende Straßenunterführung ist ein einziger riesiger Radladen! Räder einheimischer Marken soweit das Auge reicht, viele Einheimische schleppen unaufhörlich Kinderräder hinaus, die dann irgendwie in enge Taxis gequetscht werden. Im Medical Park Hospital gab es keine Impfung, dafür ein Zettel mit Name eines anderen Türkischen Krankenhauses. Im Hotel haben wir festgestellt, dass die Impfung von Micha noch bis Ende nächsten Jahres Zeit hat, also kein Stress! Ich brauchte auch keine Arztpraxis aufsuchen, den meine Schilddrüsentabletten konnte ich für wenig Geld direkt in der Apotheke kaufen!
Fortsetzung mir dem Besichtigungsmarathon, Hagia Sophia besucht, natürlich die Blaue Moschee und den Topkapi Palast. Alles überwältigende Bauwerke mit überwältigend vielen Besuchern. Am Topkapi Palast hat man mehrere Aussichtspunkte auf die Stadt und natürlich auf die Bosporus-Brücke. Der Eintritt in die Hagia Sophia und den Palast ist nicht gerade ein Schnäppchen, kostet zusammen ungefähr pro Person 27 Euro, die Moscheen sind umsonst. Besuch vom Großen Basar und Gewürzbasar darf im Touristenprogramm nicht fehlen, es gibt da allerdings außer viele Touristen die üblichen Läden, wie auch außerhalb vom Basar mit Lederwaren, Lampen, Gold- und Silberschmuck, Porzellan, Nippes und was man sonst nicht braucht, nachgemachte Markenprodukte vom Lacoste T-Shirt bis zur Armani Tasche bekommt man auch an jeder Ecke. Viel spannender sind da kleine Nebenstraßen oder diverse Straßenunterführungen, wo die Einheimischen einkaufen. In mancher Gasse gibt es nur Schuhe, von gebrauchten Exemplaren für ca. 1,50 Euro bis Neuware ist alles vorhanden, in der nächsten Gasse gibt es nur Stoffe, dann eine Gasse mit Reißverschlüssen und Knöpfen, in die nächste kleine Straße mit Haushaltswaren und um die Ecke Bekleidung, dazwischen liegen noch manche Flohmärkte und abends die Nachtmärkte.
Die Stadt ruht nie, es ist immer voll und laut und so sind wir mit dem Schiff auf eine der Prinzeninseln gefahren. Viele Istanbuler machen das auch, um der Hektik der Stadt zu entfliehen. Vom Schiff aus kann man den Blick auf die riesige Stadt in Ruhe genießen, Hin-und Rückfahrt kostet auch nur ca. 3,50 Euro pro Person. Zum Hafen gelangt man bequem mit der Straßenbahn, man muss sich nicht mit diversen Preisstufen und unterschiedlichen Tickets beschäftigen, sondern nur ganz einfach einen Token für ca. 1 Euro ziehen und kann fahren wie weit man will bzw. bis zum nächsten Umstieg! Auf die Prinzeninseln hat der Sultan bei Thronbesteigung seine Brüder verbannt, damit ihm niemand den Thron streitig machen kann, früher wurden die Brüder oft direkt getötet. Wir besuchten Büyükada, die größte der 4 bewohnten Inseln, machten einen kleinen Rundgang ohne Verkehrslärm, denn die Insel ist Autofrei. Natürlich landeten wir wieder irgendwann im Trubel, denn auf der Insel gibt es eine Souvenirmeile, Restaurants die um Kundschaft buhlen und Kutschfahrten. Die durchnummerierten Kutschen parken auf einem großen Platz, es stinkt nach Exkrementen, die in große Mülltonnen geschaufelt werden und in einer Ecke stehen die Leute Schlange, bis sie einsteigen können. Das ganze Treiben wird von einem Mann gesteuert, der in einem Turm sitzt und die Nummern der Kutschen durchsagt, die schnellstmöglich mit den Leuten gefüllt werden und davon rasen. Die Fahrt kann kaum ein Genuss sein, denn die Kutschen rasen mit atemberaubender Geschwindigkeit durch die Gassen, versuchen einander zu überholen, denn Zeit ist Geld, je mehr Leute durch die Gegend kutschiert werden, desto mehr Umsatz! Wer sich selbst bewegen will, der kann Fahrräder mieten, diese sind in schlechtem Zustand, aber werden trotzdem gerne gebucht, keine Ahnung warum, denn die Wege sind so steil, dass man mit dem Rad nie den Berg rauf kommt und auf der Promenade fahren ist zum Teil verboten. Glücklicherweise haben wir auch ruhige Plätze auf der Insel gefunden und die Fahrt mit dem Schiff ist wirklich schön. Moscheen gibt es hier unzählige, einige haben wir besucht, die bekannte Blaue Moschee ist tagsüber voller Menschen, es herrscht Gedränge und es ist laut, denn diverse Reiseleiter erklären ihren Gruppen die Besonderheiten der Moschee in jeder denkbaren Sprache, wobei der Eine versucht den Anderen zu übertönen! Um die Moschee richtig auf sich wirken zu lassen, sind wir abends nochmal da gewesen. Auch außerhalb der eigentlichen Öffnungszeiten für Touristen darf man hinein, wenn nicht gerade Gebetszeit ist.
Das Frauenbild ist in Istanbul ein einziger Gegensatz, es gibt Frauen in kurzen Hosen und engen Tops, Frauen mit und ohne Kopftuch und Frauen die komplett verschleiert sind. Gesichtsschleier sind jedenfalls sehr unpraktisch, eine Frau haben wir gesehen, wie sie versucht hat mit Gesichtsschleier ein Eis zu essen. Sie versucht ihren Schleier seitlich anzuheben und ihr Eis zu essen, dabei beschmiert die den Gesichtsschleier, alles ziemlich schwierig, man muss wohl immer einen Ersatzgesichtsschleier dabei haben. Diese Komplettverschleierung löst bei mir immer noch leichtes Unbehagen aus, denn ich versuche mir vorzustellen, wie ich mich in so einem Gewand fühlen würde, vielleicht gewöhne ich mich noch an den Anblick.
Neben dem Touristenprogramm haben wir noch die Räder auf Vordermann gebracht, die weitere Route Richtung Kappadokien geplant, eingekauft und Wäsche im Waschsalon reinigen lassen. Wäsche waschen geht nach Gewicht, wir hatten 3650 Gramm Wäsche und haben 36,50 Türkische Lira, ca. 12,80 Euro bezahlt, alles wieder sauber und riecht richtig frisch! So können wir morgen die Stadt verlassen, wir müssen noch über die Bosporus-Brücke oder wir fahren mit der Fähre auf den asiatischen Teil von Istanbul. Sicher ist, dass wir noch ganz lange durch die Großstadt und diverse Vorstädte mit viel Verkehr müssen, bis es irgendwann ruhiger wird.